von Jasper Warrelmann
„Die vorerst letzte Nacht in Deutschland!“, dachte ich, als ich in meinem Bett lag und ein letztes Mal auf mein Handy schaute. Es war Ende September, etwa 18 Stunden vor dem Abflug. Mein Plan: Work and Travel in Australien, von Hamburg nach Sydney! All die Monate der Planung und freudigen Erwartung waren verstrichen und „das Datum“, der 24. September, welches immer so weit entfernt schien, war nun fast da. Ich wusste, wenn ich die Augen das nächste Mal öffnen würde, würde ich ins Flugzeug steigen und so schnell nicht mehr nach Hause kommen. Zwar nur für ein paar Monate, aber es fühlte sich auf gewisse Weise endgültig an.
Vorbereiten – aber wie?
Statt Schäfchen zu zählen, ließ ich die Zeit der Vorbereitung auf meine große Reise Revue passieren. In mir reifte der Plan nach der Schule erst einmal ein Jahr ins Ausland reisen, während des Abis. Ich hatte schon ein Jahr vor der Abreise den ersten Freunden davon erzählt, mir Sydney bei Google Maps angeschaut und mir – wie es sich für einen deutschen Touristen gehört – einen Reiseführer für ganz Australien gekauft.
Vogelspinnen gäbe es da, die Landessprache sei Englisch, größte Städte wären neben Sydney noch Melbourne, Brisbane und Perth. Zudem erstrecke sich eine Wüste über weite Teiles des Landes, die fast die Ausmaße des europäischen Kontinents hätte. Soweit meine Kenntnisse aus dem Reiseführer. Die nächsten Monate verbrachte ich damit, meine Eltern und mich selbst langsam auf das Abenteuer vorzubereiten, Flüge zu buchen und Geld zu sparen. Ich startete mit einem Budget von etwa 2.500 Euro, hoffentlich würde das reichen! Und hoffentlich würden die Behörden in Australien mein Work-and-Holiday-Visum akzeptieren …
In den letzten Tagen war es komisch, alle Freunde noch einmal zu treffen und zu wissen, dass man sie für eine lange Zeit nicht mehr sehen würde. Ein letztes Mal kontrollierte ich noch meinen Rucksack: 12 Kilo, alles dabei. Dann ging ich wieder ins Bett und schlief endlich ein.
Einige Stunden später, es war bereits Vormittag geworden, wachte ich auf. Ich hatte noch beinahe den ganzen Tag für mich, was in dem Moment viel zu viel Zeit zum Nachdenken war. Zuvor hatte ich mein Zuhause maximal eine Woche für Klassenfahrten, Urlaubsreisen oder Fußballturniere verlassen. Und nun lagen Monate fernab der Heimat vor mir! Und dann war es plötzlich soweit: Meine Eltern und ich stiegen ins Auto und fuhren nach Hamburg in Richtung Flughafen. Mein Kumpel, Lucca, der mich begleiten würde und seine Familie warteten dort schon auf uns. Wir drückten unsere Eltern und Geschwister und gingen in Richtung Gate durch die Kontrollen. Nun gab es keinen Weg mehr zurück! Ein wenig weggetreten fühlte ich mich, ehe wir in den Flieger stiegen. Die Anspannung legte sich mit dem Start jedoch und wich der Vorfreude: Monate der Unabhängigkeit, des Abenteuers und Nervenkitzels sollten vor uns liegen!
Hamburg – London – Hong-Kong – Sydney
Endlich waren wir einmal auf uns alleine gestellt, nach dem wir die letzten 19 Jahre unseres Lebens eigentlich immer einen klaren Weg vor uns hatte: Grundschule, Gymnasium und schließlich das Abitur. Was die nächsten Monate alles passieren würde, ahnten wir noch nicht. Zunächst einmal galt es von Hamburg über London und Hong-Kong in Richtung Sydney zu reisen.
Wir landeten zunächst in London und schon der Anflug bot eine atemberaubende Kulisse. Als das Flugzeug sich immer weiter dem Boden näherte und die Lichter immer größer wurden, konnten wir einzelne Fußballstadien im Stadtbild der englischen Metropole erkennen. Mit rund 78 Millionen Passagieren jährlich war der Londoner Flughafen der größte in Europa und der sechstgrößte weltweit. Und tatsächlich: der Flughafen war in meinen Augen riesig. Wir durchstreiften eine gigantische Shopping-Mall, die wir mit einer Art U-Bahn innerhalb des Flughafens erreichten! Ich war zum ersten Mal richtig froh, Lucca dabei zu haben, da ich auf diesem riesigen Flughafen ein wenig den Überblick verloren hatte. Lucca jedoch konnte sich aber wesentlich besser orientieren und brachte uns sicher ans Ziel.
Der nächste Zwischenstopp auf unserer Reise nach Sydney sollte Hong Kong sein. Dieser Flug zog sich mit fast zwölf Stunden stark in die Länge. Wir reisten mit Cathay Pacifc, einer Fluggesellschaft, die – Überraschung – hauptsächlich im Pazifikraum agiert. Als wir in Hong-Kong landeten, war ich noch beeindruckter, als ich es in London war. Der Flughafen dort ist rund 40 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums gelegen, sodass wir vor einer nebelverhangenen Bergkuppe landeten. Ich hatte in meiner Kindheit nicht gerade viele Animes oder der gleichen gesehen, kam mir jedoch direkt vor, als sei ich in einem asiatischen B-Movie gelandet. Wir durchstreiften den nicht minder kleinen Flughafen (rund 72 Millionen Passagiere jährlich) und bekamen bei 32 Grad erstmals eine Vorstellung davon, welch ein Klima uns in den folgenden Monaten erwarten würde. Bei diesem Stopp hatten wir ein wenig mehr Zeit, als noch in London, um den nächsten Flug zu erwischen.
Gegen 18 Uhr Ortszeit verließen wir die Sonderverwaltungszone an der Südküste Chinas und hoben Richtung Sydney ab. Die Flugzeit betrug dieses Mal ein wenig mehr als neun Stunden und unsere Spannung stieg deutlich an. Wir überflogen zunächst Indonesien, ehe wir Australien passierten und uns so richtig bewusst wurde, wie riesig diese Insel im Süden des Pazifiks eigentlich war. Nach über einem Tag Flugzeit landeten wir um sechs Uhr morgens und waren sichtlich geschafft. Doch damit nicht genug: Wir waren gerade erst in Australien gelandet, da sollte uns direkt nach der Landung das Herz in die Hose rutschen.