Ich Andyg also nach Verabschiedung nach Melbourne. Ich hatte mir über Hostelworld.com ein schickes Hostel gebucht und fuhr vom Flughafen direkt dorthin. Es war recht zentral und nicht weit von der Melbourne Central Station. Obwohl der Name zwar auf den Hauptbahnhof schließen lässt, ist das in Melbourne nicht zwangsläufig der größte Haupt- und Umschlagspunkt des Öffentlichen Verkehrs. Mittelpunkt der Stadt ist definitiv die Flinder Street Station.

Die kann man sich vorstellen wie den Südbahnhof bei uns in Frankfurt, aber schon etwas größer und deutlich belebter. Auch in Melbourne haben fast alle elektronische, aufladbare Chipkarten, die so genannten „MyKi’s“,  mit denen man durch einfach rüberziehen über einen Kontaktpunkt am Drehkreuz eine Fahrkarte bezahlen kann. Und damit man nicht vergisst, die Karte regelmäßig aufzuladen und sich „an- und abzumelden“ (was durch die Drehkreuze ja eigentlich eh verhindert wird), laufen in den Metros in regelmäßigen Abständen Erinnerungen über die Lautsprecher, die, wenn man in Melbourne öfter Metro fährt, ziemlich bald nerven.
Aber irgendwie geben sie der Metro doch einen gewissen Charme. Auch die vom Band kommenden Ansagen über den in Kürze eintreffenden Zug sind ziemlich freundlich gesprochen:  je nach Tageszeit sagt die Dame Guten Morgen liebe Fahrgäste oder Guten Tag liebe Fahrgäste oder Guten Abend liebe Fahrgäste.

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Skyline am Yarra River, Melbourne CBD

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Flinders Street Station

Flinders Street Station

 

Irgendwie total verrückt, aber wenn man die Ansagen hört, finde ich, merkt man dass die irgendwie freundlicher klingen als unsere oder andere, die ich bisher gehört habe.
Mein erstes Hostel lag eher im  Studenten/Universitätsviertel und war erstaunlicherweise  neu renoviert und sehr modern eingerichtet. Es war im Prinzip neben dem YHA  in Sydney  eines der besten, die ich je besucht habe. Die Zimmer waren sauber und stylish eingerichtet. Kleinigkeiten wie bspw. ein Hochschrank neben jedem Bett mit Innenbeleuchtung und eingebautem Nachttisch sowie Steckdosen Anschluss an jedem Bett machten den Aufenthalt einfach angenehm. In meinem Zimmer traf ich auf zwei weitere Deutsche und einen anderen jüngeren, dunkelhäutigen Herren. Ich glaube er kam aus Südafrika oder so. Er arbeitete irgendwo in Melbourne. Ab und an sah ich ihn in einer Bibel lesen.

Die zwei deutschsprachigen Zimmernachbarn waren direkt sehr freundlich und wollten gleich am ersten Abend mit mir feiern gehen. Da ich aber früh am Morgen erst angekommen war, wenig geschlafen hatte und am nächsten Tag auch direkt den Arbeitsbeginn hatte, sagte ich ab. Am nächsten Tag, als ich heim kam, waren sie schon ausgezogen und hatten mir ein kleines Betthupferl dagelassen.

Die Nacht konnte ich gut schlafen und so machte ich mich am nächsten Vormittag auf Richtung Northcode. Dorthin gelang man entweder mit der Tram oder der Metro. Ich fuhr von der Central Station mit der Metro nach Northcode. Es war ein Außenbezirk von Melbourne und deutlich ruhiger als die riesigen Innenstadtstraßen. Ich hatte noch etwas Zeit und ließ die Straßen entlang. Es war arschkalt und fing auch noch an zu regnen. Deshalb wärmte ich mich zuerst kurz in einem Asia Shop und dann in einem Café auf. Von dort rief ich auch nochmal in Sydney bei Max vom WTC an, mit dem ich einen Bestätigungsanruf vereinbart hatte.

Als es dann langsam 13 Uhr wurde, machte ich mich also auf zur 200 Beavers Road, Northcode, Melbourne. Vorbei ging es dabei am Batmans Kindergarden und anderen interessanten Familienhäusern. Dort angekommen sah ich ein paar Arbeiter mit Sicherheitswesten an. Nirgends fand ich einen Hinweis auf eine Firma namens Shock Records. Deshalb fragte ich kurzum den nächsten mir über den weg laufenden Arbeiter, welche Firma denn gerade am Umziehen sei. “Yeah, Shock records is moving at the moment”, sagte der Mann zu mir. Ich war also richtig.

Wenige Momente später traf Rhianna ein. Sie war für uns fünf neue Arbeiter, sogenannte, zuständig und allmählich verstand ich,  wie es lief. Rhianna war von der Personalvermittlung, bei der ich auch letztendlich angestellt war. Eingesetzt werde ich aber bei Shock Records. Rhianna war eine große, kräftige, blonde Frau. Sie war sehr freundlich zu mir und bat mich in ein Hinterzimmer in der Lagerhalle. Sie gab mir den Arbeitsvertrag und ein paar andere Blätter zum Durchlesen und Unterschreiben. Dann kamen Fenja und Nadine hinzu. Danach dann auch Arvid aus Schweden und Miranda aus Norwegen.

Wir saßen also alle an dem Pausentisch und füllten munter und fröhlich die Papiere aus. Danach konnten wir schon wieder gehen. Am nächsten Tag um 8.00 Uhr war Arbeitsbeginn.  Wir trafen uns wieder im Pausenraum. Es waren zwei weitere Jungs hinzugekommen, die mit uns im Team arbeiten sollten: Simon, ein typischer Aussie aus Melbourne, ungefähr in meinem Alter und Emanuel, ein halb Aussie auch aus Melbourne mit italienischen Wurzeln. Sprachtechnisch und generell waren sie natürlich immer etwas im Vorteil, da sie Locals sind. Rhianna war auch wieder da. Sie stellte uns zunächst einmal unseren Big Boss “Simon” vor.  Es gab nun also “Big Boss Simon” und “Dummschwätzer Simon”. Warum “Dummschwätzer Simon”, wird sich später herausstellen.

Es handelte sich beim Boss um einen großen, gut gebauten, lässigen, weisungsbefugten Mann in Vans Schuhen. Scheinbar eine Art Abteilungsleiter. Wie sich später herausstellt wohnt er in Sydney und fliegt jeden Montagmorgen von Sydney nach Melbourne und Freitag abends zurück nach Sydney. Vor ihm hatte man auf Grund seiner Größer, seiner Augen und seiner Stellung irgendwie Ehrfurcht.

Obwohl er eigentlich total lässig drauf ist. Unser Vizechef war Tray, ein eher kleiner, ruhiger  und unscheinbarer Zeitgenosse. Rhianna führte uns mit Simon kurz durch alle Lagerhallen auf dem Gelände und erklärte uns wo was gemacht wird. Es gab ca. 7 verschiedene Hallen. Danach ging es kurz zu dem Bürokomplex. Dort war auch über dem Eingang ein großes Firmenlogo zu finden. Mit dem Bürogebäude werden wir aber während unseres Aufenthaltes bei Shock Records nichts zu tun haben. Wir sind ausschließlich als Lagerarbeiter angestellt. Im Bürokomplex ging es dann in einen Schulungsraum, bei dem uns das obligatorische Sicherheitsvideo für Lagerarbeiter vorgeführt wurde. Dies ist Pflicht des Arbeitgebers. Anschließend gab man uns diese hübschen, knallgelben Sicherheitswesten, die fortan stets zu tragen waren.

OK – los ging es dann mit den ersten Aufgaben. Wir waren bei einem DVD Label beschäftigt, das heißt es gibt DVDs- viele DVDs. Die Mädels durften also etliche Kisten voller DVDs öffnen und die sich dort befindlichen DVDs aus der Hülle entnehmen und in Einzelteile trennen. Die Hüllen wurden von der Scheibe und dem Cover getrennt. Wir Jungs mussten zuerst Schränke aus dem mittlerweile fast leergeräumten Lager abbauen & verschieben. Außerdem galt es Paletten mit Kartons zu “Shrinkwrappen” (mit Folie zu umwickeln). Wir kamen langsam alle aus uns raus, es entwickelten sich mehr oder weniger Gespräche. Simon (nicht der Big Boss) und Emanuel sagten uns nach Absprache mit den Chefs an, was zu tun war. “Big’e’ fella…” kamen sie mit ihrem australischen Slang auf mich zu und wiesen mich ein. Big Fella bedeutet so viel wie Kumpel/Kollege unter Männern.

Simon entpuppte sich später aber als Gruppenclown, zumindest glaubte er wahnsinnig witzig zu sein. Er war seinen Äußerungen nach halb deutscher, denn seine Mutter war deutsche. Sein Lieblingswort der wenigen deutschen Wörter, die er kannte: “Scheissenhausen”. Es entstammte aus einer Simpsons Folge und war der Running Gag in den ersten Tagen. Es war jede Woche eine Anwesenheitsliste zu führen, nach der dann die Arbeitszeit berechnet wurde. “Payday” war, so ist es in Australien üblich, einmal pro Woche.
Ich empfand es als angenehm, seinen Lohn wöchentlich ausbezahlt zu bekommen. Das schafft innerlich irgendwie mehr Klarheit, wofür man tagtäglich schafft, da man jede Woche Geldeingang für seine Arbeit sieht. Als wir mit den Kartons fertig waren, packten wir bei den Mädels mit an. Und so wurde das DVDs auspacken und in seine Bestandteile trennen zu unserer alltäglichen Hauptaufgabe für die nächsten Wochen.

Nebenbei mussten die mit leeren Hüllen, Covern, Scheiben etc. gefüllten Kartons natürlich auch auf Paletten verladen und verpackt werden. Dafür standen uns auch Gabelstapler zur Verfügung, die aber nur Simon und Emanuel fahren durften. So pendelte sich für mich in Melbourne also ein wenig Alltag ein.  Leider war es hier noch Winter und die “4-Seasons-on-a-day”, die man Melbourne nachsagt, waren deutlich zu spüren. Doch der kommende Frühling bzw. Sommer war schon deutlich zu merken. Nach Feierabend bin ich dann mit Fenja und Nadine noch ein wenig umhergezogen.  Abends sah ich mir noch ein wenig Papierkram an, den Rhianna uns mitgegeben hatte.

Am Wochenende besuchte ich dann Marissa in ihrem Hostel, dem Flinders Street Backpackers direkt an der Flinders Street Station in der City. Zentraler ging es nicht. Und scheinbar war es ein ziemlich angesagtes Hostel in Melbourne. Wir machten abends einen Spaziergang und da das Hostel ein entsprechendes Winterangebot hatte, das beim Buchen von mind.
2 Wochen Aufenthalt ziemlich gut war, entschied ich mich, dort auch einzuziehen. Mit Marissa kam ich unglaublich gut zurecht und wir hatten eine Menge zu Lachen. Sie sagte, immer wenn sie mich anschaut, muss sie lachen, da ich immer am Grinsen sei und da sie anfing, immer zu lachen, riss sie mich mit und ich musste auch lachen. Vor allem, als sie mir von ihren Zimmerkompanen erzählen wollte und anstatt Zimmergenossen mit ihrem bayrischen Dialekt “meine Genossen” sagte. Das klang so nach Politik à la Horst Seehofer oder Ilse Aigner: “Liebe Genossen, liebe Genossinnen”. Von dort an, waren die Genossen bei uns immer ein “geflügelter Begriff”.

Das Hostel ist recht groß, die Zimmer recht klein und teilweise schon etwas muffig. Es war lange nicht so toll und modern wie mein erstes Hostel in Melbourne, aber dafür war es einfach schön günstig.  Ich hatte also 2 Wochen gebucht und stellte mich erst mal auch innerlich auf einen “geregelten” Alltag ein: Früh aufstehen, Arbeiten, Nach hause kommen, Essen, Waschen, früh ins Bett gehen, etc.  Morgens gegen kurz nach 7 ging ich aus dem Hostel, damit ich um 8 Uhr auf der Arbeit war. Ich genoss die zentrale Lage des Hostels und nahm des Öfteren schon morgens um 7 den Subway direkt nebenan in Anspruch.

Mein Frühstück bestand  dann also aus einem leckeren Egg, Cheese und Bacon Sub mit schön viel Southwest Sauce.
Von dort gings direkt über die riesen Kreuzung zur Flinders Station. Ich nahm immer die Metro Nr. 1 nach Epping über den Stadtring (City Loop), andere Kollegen kamen mit der Tram.  Auf der Arbeit pendelte sich auch Alltag ein, zum Teil gähnender Alltag. 8 Std. lang DVDs öffnen, trennen etc. macht irgendwann verrückt. Am unbeliebtesten waren diese doofen 6-er DVD Hüllen, da die so dick waren und 6 Scheiben enthielten. Das entleeren und abfertigen einer DVD Hülle dauerte somit  ein paar Sekunden länger. Das war psychisch irgendwie demotivierend, da man einfach länger an einer DVD beschäftigt war und dadurch einfach nicht so schnell durcharbeiten konnte. Während meiner Arbeit bekam ich sehr heftige Probleme mit meinen Füßen, obwohl ich immer wieder von stehend auf sitzen wechselte. In den Mittagspausen musste ich teilweise meine Schuhe ausziehen, da sich meine Füße (heute leider immer noch) einfach total eingeengt fühlten.

Ansonsten standen wir zu sechst einfach den ganzen Tag einem sehr großen Arbeitstisch aus Holz (Bulk), hatten mein Handy an Lautsprecher angeschlossen und hörten Radio nebenbei. Rhiannas “only girl in the world” lief gefühlte 300mal am Tag und gehörte für mich schon zum Arbeitsalltag. Das nette oder eher weniger nette Beisammensein am Tisch führte letztendlich auch zu  teilweise total schwachsinnigen Gesprächen, vor allem angetrieben durch unseren Dummschwätzer Simon.  Am Anfang war der Kerl zwar noch lustig, aber nach und nach bemerkten auch die anderen Mädels was für ein Vollpfosten er war.  Das Niveau war einfach nicht ganz so hoch und seine Versuche den Mädels gegenüber zu imponieren scheiterten schlussendlich dann doch. Auch einfachste Rechenaufgaben (beim Zählen von Kartons auf den Paletten bspw.) versuchte er immer gekonnt heimlich anderen unterzujubeln, da er in Mathe wohl auch nicht der hellste war. Andererseits wollte er dann aber doch den Chef spielen und mir sagen, was ich zu tun habe und wo ich jetzt mithelfen soll.
Die Arbeit bekam eine gewisse Routine, ab und an wechselten die Teams. So war ich mal ein paar Tage mit den Mädels alleine in einer anderen Lagerhalle. Dort waren zwei weitere Vollzeitarbeiter, mit denen wir aber nicht viel zu tun hatten. Sie standen uns bei Fragen zur Seite, ansonsten aber war es einfach die gleiche Arbeit (DVDs schrotten), nur eben in Warehouse 1 (Lager 1).

Genau am Eingang von diesem Lager tauchen eines sonnigen Nachmittags plötzlich zwei fette und ca. 40cm große Echsen auf. Shit, erst dachte ich, es wären Schlangen. Laut den zwei Arbeitern aus dem Lager lebten die Echsen schon lange in den Tiefen und Ecken des Lager 1. Alle zückten ihre Kameras und ich schaffte es sogar eine zu berühren.

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Sie waren nicht die typischen schnellen, kleinen Echsen, die schon bei leichtester Vibration sofort weg sind. Es waren eher große, fette und gemütliche Echsen.  Ab und zu wurden wir von Big Boss Simon und Tray besucht, die nach dem Rechten sahen.
Morgens hatten wir immer 15 Min. Frühstückspause (man nennt sie in Australien “Smoko”) und dann mittags immer noch eine 30 min Pause. Zum Frühstück machte ich mir meistens dann ‘ne Schüssel Kellogg’s und zur Mittagspause irgendwelches Fertigessen oder Sandwiches. Einige Dinge wie z.B. Getränke und Milch muss der Arbeitgeber laut Vorschriften dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellen. Anfangs kaufte ich mir nämlich Milch noch selber, später aber wurde ich darauf hingewiesen, dass das Besorgen von Milch etc. Aufgabe des Arbeitgebers sei.

 

„Federations Square“ direkt neben meinem Hostel an der Flinders Street Station

„Federations Square“ direkt neben meinem Hostel an der Flinders Street Station

Wir, also Fenja, Nadine, die Schanzerin, Arvid und vielleicht auch noch ein paar andere wollten eines Abends nach Feierabend zusammen feiern gehen. Merkwürdigerweise ging es mir aber an dem Tag gar nicht gut. Die Arbeit im Lager war zum Teil, besonders auch an kälteren Tagen, echt anstrengend für den Körper. Es war den ganzen Tag kalt, die Hände froren. Einen wirklich warmen Aufenthaltsort gab es nicht. Nach der Arbeit fuhr ich direkt zurück in die Stadt, schnappte mir noch ein Sub neben dem Hostel und warf mich direkt ins Bett. Es ging mir so mies, dass ich dachte ich bekomme eine starke Grippe. Zum Glück war nun Wochenende. Ich blieb sage und schreibe etwa 15 Stunden lang nur im Bett. Aber am nächsten Tag ging es mir dann schon wieder ganz normal. Ich habe keine Ahnung, was das gewesen war. Allerdings habe ich das schon öfter mal gehabt in meinem Leben. Wenn man dann mal ordentlich schläft und sich im Bett kuriert, geht es am nächsten Tag schon wieder ganz normal.

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