Der Job in Northcode war immer noch am Laufen, aber so langsam machten sich alle Gedanken über die weitere Zeit. Die Firma Shock Records leerte sich nach und nach. Einige Mitarbeiter feierten an einem Freitagnachmittag bei einem letzten Bier vor der Firma das Ende ihrer Beschäftigung dort. So waren es nur noch wir, die Casual Workers, und einige wenige Verbliebene, die noch in den Lagerhallen rumschwirrten. Dementsprechend ruhiger und gelassener wurde es von Tag zu Tag. In manchen Momenten gab es nichts zu tun – Außer mit einem selbst gebauten Fußball aus Paketband rumzukicken. Big Boss Simon war cool drauf, eines Morgens rief er nur zu mir “Hey, Tobias, you’re allright? Have a coffee!” und verschwand irgendwo in den Lagerhallen. Diese Einladung nahm ich natürlich an und legte eine Kaffeepause ein.
Wir hatten uns inzwischen alle gut genug kennengelernt und es hatten sich auch obligatorische Gruppen gebildet. Kurz: Am Anfang waren wie fast immer alle nett, Simon (Dummschwätzer) machte sich zunächst nur bei mir unbeliebt, die Mädels (Miranda, Nadine und Fenja) verstanden sich gut, Simon (Dummschwätzer) verkackte es dann aber auch bei den Mädels. Miranda war recht flink bei der Arbeit und eine pfiffige Person. Sie ging manchmal früher, entschied selber, was sie arbeitete usw. Nadine kam damit nicht klar und entwickelte Antisympathien gegen Miranda. Ich fand Miranda ziemlich cool. Wo ist das Problem, wenn sie früher heimgeht? Immerhin wird sie dafür ja auch nicht bezahlt. Und hey, nach den vielen Wochen wurde man nun mal sicherer im Job und konnte dann Kleinigkeiten auch selber entscheiden.
Nadine fragte mich eines Tages, ob ich mit zu einem Trip zur Great Ocean Road kommen wolle. Ich ließ mir 1 Tag Zeit und sagte dann zu, denn die Great Ocean Road sollte man sich eigentlich nicht entgehen lassen. Für den Trip war das Wochenende geplant. Wir wurden am Samstagmorgen von Viktor und Holger mit dem Auto am Hostel abgeholt. Viktor war ein ehemaliger Studienkolleg aus Köln von Nadine und Holger dessen Kumpel. Holger ist und war schon länger in Melbourne, Viktor war nur für gut 3 Monate in Australien. Zunächst sind wir dann nach St.Kilda zum Appartement von Holger gefahren. Eine schicke Bude: Am Hauseingang erhielt man nur mit Zugangscode eintritt und das Treppenhaus sah aus wie in einem Hotel.
Wir tranken ob noch etwas, holten dann noch einen Frühstückssnack für die Fahrt, gingen zurück zum Appartement und Holger rief für uns bei einem Hostel auf der Great Ocean Road an zwecks Verfügbarkeit. Nach kurzer Autoeinweisung brachen wir, allerdings ohne Holger, dann auf und fuhren dann gute 100km südlich zur Great Ocean Road.
Es war Holgers Auto, das er uns freundlicherweise zur Verfügung stellte. Die Great Ocean Road ist 243 km lang und verläuft direkt an der Südküste. Es gibt verschiedene Look Out’s und Plätze, an denen man anhält. Wir waren bspw. bei einem Leuchtturm, sind danach weiter gefahren, haben dann an einer wunderschönen Bucht gehalten, die Aussicht genossen, sind weitergefahren. Zwischendurch waren wir noch bei den Twelve Apostles, dem wohl bekanntesten Lookout an der Great Ocean Road. Das sind Felsen aus Kalkstein, die bis zu 60m hoch aus dem Meer hinausragen. Hier macht wohl jeder Mal halt, um ein Foto zu schießen.
Wenn man Lust und Geld hat, kann man sogar auch einen Helikopter Rundflug über die Twelve Apostles buchen. Ansonsten ist der Weg entlang der Great Ocean Road einfach traumhafte Natur. Riesige Buchten mit riesigen Wellen, die mit unglaublicher Wucht gegen die Felsen branden. An einem Abend kehrten wir in das vorher von Holger ausgekundschaftete Hostel ein. Wir fragten nach einem 4-er oder 6 er Zimmer, doch es war keines frei. Stattdessen mussten wir in ein 24-Bett (!) Zimmer. Das gute: Es war komplett leer:) Wir waren also eine Nacht zu viert im 24-Bett Zimmer. Genug Platz hatten wir auf jeden Fall.
Ausgeschlafen ging es dann am nächsten Morgen weiter. An irgendeinem Look-Out hielten wir an, um den Ocean in seiner dortigen Pracht zu genießen. Laut Viktor sollten in dieser Region aber auch vermehrt Koalabären hausen. Wir marschierten also ein bisschen fern des eigentlichen Weges und suchten die Büsche nach Koalabären ab. Vergeblich. Wollten wir doch alle unbedingt einmal einen dieser unglaublich gemütlichen und heiß geliebten Koalabären aus nächster Nähe sehen, doch es war einfach keiner zu finden. Wir gaben eigentlich schon auf, und kehrten um, da entdeckte Viktor irgendwas in der Ferne auf einem Baum. Es sah rundlich aus, für mich schwer zu erkennen.
Der Baum war etwas weiter weg und war auf einem Abhang gelegen, ein Rankommen war schwierig. Wir waren uns unsicher, ob das jetzt eine Koalabär ist oder doch nur eine Fatamorgana. Viktor entschloss sich aber näher ranzugehen. Von ihm motiviert, folgte ich ihm. Ich wollte es auch wissen…Und tatsächlich, es war ein Koalabär! Endlich hatten wir einen Koalabär entdeckt. Einen echten Koalabär in wilder Natur! Er saß gemütlich in seinem Eukalyptusbaum und glotzte uns ohne irgendeinen Murks an. Seine Augen waren noch furchtbar klein und schläfrig. Wahrscheinlich kam er gerade mal wieder aus einem 22 Stunden Schlaf und wollte gleich was essen, damit er danach wieder schlafen kann. Süß sah er auf jeden Fall aus.
Nachdem wir uns also den Koala genau angeschaut und beobachtet hatten, ging es für uns aus den tiefsten Abhängen und Büschen im Wald neben der Great Ocean Road zurück zum Auto. Auf unserer Rückfahrt entdeckten wir dann sogar noch einen Koala, der direkt am Straßenrand hoppelte. Sofort angehalten konnten wir ihn noch einen Moment aus allernächster Nähe beobachten. Und noch einige Meter weiter waren sogar noch ein paar Bäume mit mehreren Koalas. Nach und nach hielten immer mehr Autofahrer und zückten die Kameras. Danach fuhren wir langsam wieder zurück nach Melbourne. Hier habe ich ein kleines Highlight in Erinnerung, an das ich mich noch lange erinnern werde. Es war später Abend und ich schaute während der Fahrt aus dem Fenster. Wir waren alle recht müde, es war schon dunkel. Ich merkte, wie wir uns der City von Melbourne immer mehr näherten.
Von den Vorstädten Melbournes, ging es immer ein Stück tiefer in die City. Es war ruhig im Auto. Ab einem bestimmten Moment erkannte ich die Stadt wieder und wusste, wo wir waren. Ein Gefühl von Heimat kam in mir auf. Es sudelte leise “Something in the Water” von der neuseeländischen Newcomerin Brooke Fraser im Radio, das hier zum ersten Mal hörte (und was später, auch in Deutschland, zu einem großen Hit wurde). Ich kann den Moment nicht richtig beschreiben, aber irgendwie ist er mir in Erinnerung geblieben. Immer wenn ich dieses Lied höre, muss ich an unsere Heimreise im Auto von unserem Trip zur Great Ocean Road denken.
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