von Jasper Warrelmann
Roadtrip! Buddymovie! Abenteuer! Action! Ganz viele Ausrufezeichen!
Es war so weit. Stellt euch bitte pompöse Geigen, einen epischen Chor unterlegt mit einem lauten Beat vor. In etwa wie bei diesen VOX Serien, die sich nachts um 2 Uhr mit irgendwelchen ungeklärten Morden in München in den späten Achtzigern beschäftigen. Diese Musik weicht nun allmählich einem fröhlichen Song mit harten E-Gitarrenriffen, wie sie in Filmen eingespielt werden, wenn die Handlung so langsam an Fahrt aufnimmt. Wo wir uns zeitlich gerade befinden? Es ist der 10. November 2016 und Lucca und ich brachen aus Sydney auf, um die Welt zu erobern. So ungefähr.
Wie arbeiteten sechs Wochen als Praktikanten, um Geld beiseite zu schaffen und legten uns, für rund 5000$, das passende Auto zu. Einen Ford Escape in rot, Baujahr 2002, welcher schon rund 300000 Kilometer gelaufen war. Für australische Verhältnisse ist das nicht unbedingt viel, fast durchschnittlich. Wir verließen unser Hostel, bepackt mit unseren Rucksäcken und freuten uns auf Wochen des puren Abenteuers. Doch bevor die Reise so richtig losgehen konnte, hatten wir ein anderes Problem. Wir mussten zunächst aus Sydney rauskommen!
Für alle, die es vergessen haben sollten: Australien ist Teil des Commonwealth und somit herrscht auf dieser ganzen riesigen Insel Linksverkehr! Das ist, auf normalen Straßen, die kaum befahren werden, nicht weiter schlimm, jedoch ist Sydney mit seinen 5 Millionen Einwohnern für jeden Fahranfänger wohl ein Graus.
Das erkannte auch Lucca, wusste aber, dass er sich dieser Herausforderung stellen musste. „Du wirst das wohl kaum machen“, sagte er und hatte erneut Recht. Ich hatte erst im zweiten Anlauf meine praktische Führerscheinprüfung absolviert und war generell nicht dafür bekannt, der allerbeste Autofahrer zu sein. Wir verstauten die Backpacks auf der Rückbank und Lucca holte sein IPad hervor. Wir schauten auf die Karte und legten ein Ziel für den heutigen Tag fest. In etwa 500 Kilometer wollten wir zurücklegen. Lucca klickte auf „Route erstellen“, drückte mir das Gerät in die Hand und fuhr los. Aus dem Herzen Sydneys in Richtung Ostküste. Wir kämpften uns von Straße zu Straße, von Ampel zu Ampel und waren über jeden Kilometer erleichtert, den wir zurückgelegt hatten. Ich war das erste Mal in meinem Leben froh, nicht Auto fahren zu müssen, besonders als es über die Harbour Bridge ging. Sechs Spuren und das auf beiden Seiten. Menschen werden sich bisher wohl häufig ausgemalt haben, wie die Hölle aussehen könnte und was für Wesen sich dort aufhalten würden. Für mich war es ab diesem Moment klar: eine, auf beiden Seiten sechsspurige, Harbour Bridge im Herzen Sydneys, die nicht endet.
Irgendwann, es müssen Tagen, Wochen, gar Monate vergangen sein, passierten wir diese Brücke des Grauens und es wurde so langsam entspannter. Nachdem der Verkehr sich etwas übersichtlicher gestaltete, konnte ich mich nun als Beifahrer auf meine Kernkompetenzen konzentrieren. Musik spielen! Wir hatten uns, bevor der Trip losgehen sollte, selbstverständlich Unmengen an Musik und Hörbücher heruntergeladen, sodass, vor allem „Die Drei Fragezeichen“ Teil dieser Reise wurden.
Unsere technischen Geräte luden wir über den Zigarettenanzünder auf, was in den nächsten Wochen noch zum Kampf werden sollte. Oberste Priorität hatte dabei das IPad, da wir auf die Karten angewiesen waren. Ebenfalls unverzichtbar war eine App, die uns potentielle Campingplätze in der Umgebung anzeigte. Man musste meist nicht mehr als 25 Kilometer fahren, um zu einem zu gelangen, jedoch unterschieden sich die Plätze stark voneinander. Manche hatten eine Küche, Duschen oder ein großzügiges Bad, andere wiederum waren eigentlich nur Parkplätze, auf welchen man abends nächtigen durfte. Wildcampen wurde damals und auch heute noch, hart bestraft. Man musste mehrere hunderte Dollar zahlen, wenn man dabei erwischt wurde.
Nach mehreren Stunden, es war schon wieder Abend geworden, suchten wir uns den nächst besten Campingplatz, direkt an einer Schnellstraße und verbrachten die erste Nacht im Auto. Wir ahnten dabei noch nicht, was uns alles in den nächsten Wochen widerfahren würde.